Die Wikipedia und das Software-Dispositiv Eine digitale kollaborative Online-Enzyklopädie für die Turing- Galaxis – und die Geschichte des Hypertextes
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Abstract
Die Wikipedia ist als Online-Universalenzyklopädie in der Turing-Galaxis ein erfolgreicher Hypertext, dessen Konzeptgeschichte unser Verständnis der konkreten Gestaltung der MediaWiki-Software und der Praktiken der Wikipedianer*innen verbessert. Gleichzeitig hilft die Untersuchung des gegebenen (Digital-)Artefaktes und der an ihm vollzogenen Praktiken sowie der möglichen Nutzungszusammenhänge – seiner Affordanzen – bei der Weiterentwicklung theoretischer Hypertext-Modelle. So können a) unter Rückgriff auf Vannevar Bushs imaginäre MEMEX-Blaupause, Theodor H. Nelsons bis heute nicht realisiertes „Dream-File“ und Jeff Conklins früher Taxonomie historisch verkörperter Hypertextsysteme der Funktionsumfang der gegenwärtigen Wikipedia ins Verhältnis zu historisch vorkonfigurierten Nutzungsangeboten und Designoptionen gesetzt werden. Hierbei kann der Verzicht auf die Speicherung von „Lese-Spuren“ und die technische Gliederung in abgeschlossene Objekte auf Lemmata-Ebene statt in rekombinierbare Elemente auf Textbausteinebene als zentrale Abweichungen markiert werden. Die Rückkopplung der Untersuchung der Wikipedia an Fragen der Theoriebildung kann b) im Vergleich von zwei Abweichungen von Tim Berners-Lees minimalistischer Hypertext-Definition gewonnen werden, und zwar auf der einen Seite des historische Kontinuitäten betonenden Ansatzes David J. Bolters, der Hypertext als Arbeitsumgebung eines medial gewandelten Schreibraums zur Erzeugung von Sinn deutet und auf der anderen Seite der historische Brüche verstärkenden Rede von einer autooperativen Schrift, die von Gernod Grube und Sybille Krämer geführt wurde. Es wird deutlich, wie hiermit auch raum- wie prozessorientierte Ansätze kontrastiert werden können. In einem hybridisierenden Versuch wird Hypertext als „autooperative Schrift im semantischen Raum“ benannt, der sich in der Wikipedia verwirklichen und anhand ihrer aufzeigen lässt. Eine Besonderheit stellt die intendierte Nutzung auch durch autonome Agenten dar – Luciano Floridis „Inforgs“ wirken unter anderem in der Wikipedia aufgrund ihrer Hypertextualität. Diese Auflösung des Unterschiedes zwischen menschlichen Schreibern/Lesern und programmierter Zeichenmanipulation ist integrales Merkmal des epistemischen Zusammenhanges, den man unter Rückgriff auf Giorgio Agamben und mit Moritz Hiller als „Computerdispositiv“ fassen kann, um die Wikipedia als Kulturtechnik zu untersuchen und so konkrete Artefakte und historische Konzepte wechselseitig aufeinander zu beziehen.