Agentenbasierte Modellierung in der Mediävistik, oder: Wie der Netzwerkhandel der Hansekaufleute entstanden sein könnte
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Abstract
Seit dem späten zwölften Jahrhundert gelang es den niederdeutschen Kaufleuten, die sich auf Privilegien in London, Nowgorod, Brügge und Bergen stützten, den Ostseehandel weitgehend zu monopolisieren. Die Hansards handelten überwiegend im Rahmen von Verwandtschafts- und Freundschaftsnetzwerken, oft ohne formelle Verträge. Ihre auf Reputation basierende Netzwerkorganisation war bis etwa 1500 stabil, und es wird angenommen, dass der hansische Handel wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung im spätmittelalterlichen Nordeuropa beigetragen hat. Was bestimmte die Bildung des hansischen Handelsnetzes im Hochmittelalter? Warum haben sich keine alternativen institutionellen Lösungen zur Abwicklung des Handels zwischen den Hansearmen herausgebildet? Wie lässt sich dies analysieren, ohne dass für die frühe Zeit Daten zu einzelnen Kaufleuten vorliegen? Diese Fragen werden anhand von Simulationsergebnissen aus einem Multi-Agenten-Modell des mittelalterlichen Seehandels diskutiert. Die Ergebnisse werden mit der institutionenökonomischen und wirtschaftshistorischen Diskussion über die Bedeutung institutioneller Entwicklungen im Fernhandel für das Wirtschaftswachstum im mittelalterlichen Europa und die Effizienz sich selbst verstärkender Institutionen verknüpft. Abschließend werden sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen agentenbasierter Modelle für die mittelalterliche Geschichtsforschung diskutiert.