Wiki-Rechtsrahmen und ethische Fragen für Forschung und Lehre

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Ziko van Dijk

Abstract

Wikis sind Websites, die zwei Verheißungen (Van Dijk 2017) machen: Einerseits sollen sie es vielen Menschen ermöglichen, sich gleichberechtigt an der Erstellung und Verbesserung von Inhalt (content) zu beteiligen. Andererseits soll dieser Inhalt besonders umfangreich und attraktiv für Lesende werden, gerade weil viele Menschen sich beteiligen. Wikis versprechen also „demokratische“ Partizipation bzw. Kollaboration und gleichzeitig ein „hochwertiges“ Produkt


Nach dem Wiki-Beschreibungsmodell (Van Dijk 2017) gehören zum Wiki ein Eigentümer, Modifizienten, Rezipienten, Inhalt und ein rechtlicher Gesamtrahmen, ein „Wiki-Rechtsrahmen“, der alle Ziele, Werte und Normen erfasst und umfasst, die für das Wiki relevant sind. Das bekannteste Wiki der Welt ist zweifellos die Wikipedia, eine vielsprachige Online-Enzyklopädie mit Millionen von Artikeln über die unterschiedlichsten Themen und zehntausenden von regelmäßigen Teilnehmenden, die Texte schreiben und verändern, Bilder hinzufügen, Seiten strukturieren und vieles andere leisten. Die Teilnehmenden heißen im Modell Modifizienten, da sie Seiten eines Wikis bearbeiten bzw. ändern, modifizieren.


Die Kollaboration und die automatische Dokumentation der Seitenänderungen machen Wikis für Forschende interessant, die sich mit Themen beschäftigen wie: soziales Handeln im Internet, Identität und Status in einer Online-Gemeinschaft, kollaborative Schreibprozesse, interaktionsorientiertes Schreiben usw. Aus Sicht dieser Forschenden ist ein Wiki ein Forschungsgegenstand, der einem Wissenschaftler dabei hilft, Fragen des eigenen Faches zu beantworten. Die Forschenden erarbeiten ein eigenes Forschungsdesign, wofür eine genaue Kenntnis des Wikis und seiner Funktionsweise wichtig ist. Zu dieser Funktionsweise eines konkreten Wikis gehört der Wiki-Rechtsrahmen mit seinen verschiedenen Bereichen.


Die Kenntnis des Wiki-Rechtsrahmens ist aber nicht nur aus praktischen Gründen für die Forschung bedeutsam, sondern auch aus ethischen. Forschende sollen und wollen bei ihrer Arbeit sowohl die Erforschten als auch Forschungskollegen respektieren. Die Erforschten sollen nicht geschädigt werden; außerdem ist es ein Grundsatz nicht nur in der Ethnographie, dass man das Feld so verlässt, dass künftige Forschende keine Nachteile erleben (Eynon, Fry & Schroeder 2008: 31). Wie man Schädigungen und Nachteile vermeidet und dennoch zielgerichtet Forschung betreibt, ergibt sich aus einer Vielzahl von Überlegungen. Die Kenntnis des Wiki-Rechtsrahmens liefert wichtige Hinweise für diese Überlegungen der Forschenden.


Der vorliegende Beitrag behandelt das Thema Wiki-Rechtsrahmen vor dem Hintergrund ausgesuchter forschungsethischer Fragen. Darum wird kurz in die Problematik der Forschungsethik eingeführt. Daran schließt sich ein Vorschlag an, wie man den Wiki-Rechtsrahmen eines konkreten Wikis ermitteln kann, am Beispiel vor allem der deutsch-sprachigen Wikipedia. Ein weiterer Abschnitt thematisiert die möglichen Folgen und gibt Hinweise für die nötige Abwägung zwischen verschiedenen Zielen und Werten. Ein Abschnitt zur universitären Lehre zeigt verwandte Probleme auf.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag
van Dijk, Ziko (2019): Wiki-Rechtsrahmen und ethische Fragen für Forschung und Lehre. In: Diskurse – digital 1, S. 26–61.
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